
Die Würze der Nachhaltigkeit
Upcycling ist ein Trend, der auch in der Küche angekommen ist. Wie’s geht, macht das Südtiroler Start-up-Unternehmen The Garum Project vor, das fermentierte Würzsaucen herstellt. Stephanie Lüpold, CEO von The Garum Project, hat uns erklärt, wie die Garum-Idee entstanden ist, wie sie funktioniert und welchen Beitrag zur Nachhaltigkeit Upcycling in der Küche leisten kann.
Frau Lüpold, was können wir uns unter Garum vorstellen?
Stephanie Lüpold: Garum war das Maggi der Antike, eine Umami-Würzsauce, die die Römer durch das Fermentieren von Fischwegschnitten hergestellt haben. Vor mittlerweile acht Jahren hat Mattia Baroni, damals Küchenchef der Haselburg in Bozen, die Fermentation als Werkzeug gegen die Verschwendung von Lebensmitteln in der Gourmetküche für sich entdeckt und die vielen anfallenden Wegschnitte genutzt, um schmackhafte Würzsaucen herzustellen.
Mittlerweile bietet The Garum Project unter der Marke re.garum sieben Garum-Varianten an. Wie entstehen diese?
Im Grunde gibt es zwei Wege. Der erste beginnt mit der Frage, welche Geschmäcker für die Küche interessant wären, daraufhin machen wir uns auf die Suche nach den notwendigen „vernachlässigten“ Lebensmitteln. Der zweite Weg schlägt die umgekehrte Richtung ein. Die Fragen sind dann, welche Nebenprodukte es in unserem Umfeld gibt und was man daraus machen könnte.
Sie sprechen von „Nebenprodukten“, im Falle von The Garum Project sind das vernachlässigte Lebensmittel, also solche, für die es keinen Markt gibt. Welche zum Beispiel?
Da gibt es eine ganze Reihe: Muskelfleischwegschnitte etwa oder unästhetisches Gemüse. Ich komme ja nicht aus der Food-Branche und war erstaunt, wie unglaublich viele Lebensmittel im Zyklus verlorengehen. Wir greifen die Ströme von Produkten ab, die gar nicht erst in den Supermarkt gelangen, etwa krumme, zu große oder zu kleine Karotten. Klar ist: Wir nutzen nur rundum frische Zutaten.
Hochwertige Lebensmittel, die nicht in den Handel kommen: Wie baut man Lieferketten auf, wenn es noch gar keinen Markt gibt?
Die Nebenprodukte sind alle da, unsere Aufgabe ist sicherzustellen, dass sie angeliefert werden. Dafür nimmt man zuerst einmal das Telefon in die Hand, wobei uns sicher auch die Kontakte genutzt haben, die Mattia Baroni bereits hatte. Die Molke, die wir von Mila beziehen, ist ein Beispiel dafür. Wir haben gesehen, dass es diesen großen Nebenproduktstrom gibt und daraus ein Produkt gemacht.
Wie bewerten Sie den Beitrag, den Ihr Unternehmen im Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung leistet?
Wir sind immer noch ein kleines Start-up-Unternehmen und stolz darauf, dass wir unser Garum im Foodservice-Bereich zugänglich gemacht haben. Grundsätzlich ist die Fermentation aber ein unglaublich wertvolles, vielseitig einsetzbares Instrument, wie mit vernachlässigten Produkten viel Wert erzeugt werden kann. Deshalb zielen wir nun auf die Industrie, wo im Grunde jede Art synthetischer Geschmacksverstärker durch Naturprodukte ersetzt werden könnte.
Aber es wäre wohl kaum im Sinne der Nachhaltigkeit, vernachlässigte Lebensmittel über weite Strecken zu transportieren?
Das sehen wir genauso. Unsere Zukunftsvision ist deshalb, Garum dort herzustellen, wo die Nebenprodukte anfallen. Die nötige Starterkultur entwickeln wir, weil dafür ein enormes Know-how notwendig ist. Derzeit arbeiten wir etwa mit einem großen Champignonhersteller zusammen, der mit unserer Hilfe ein Garum aus den bis dato nicht verwendeten Champignonstämmen produzieren kann.
Kurzbiografie
Stephanie Lüpold ist 1988 geboren und Co-Founderin sowie CEO von The Garum Project. Das Unternehmen mit Sitz in Bozen produziert komplett natürliche Geschmacksverstärker für den Food-Service-Bereich und die Nahrungsmittelindustrie. Lüpold hat Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen studiert und ist bei The Garum Project für den Unternehmensaufbau verantwortlich.